Du hast eine innovative Idee? Das sind die ersten Schritte.


  1. Jede innovative Idee beruht auf Vermutungen über die Welt. Diese Hypothesen müssen wahr sein, damit die Idee funktioniert.
  2. Erster Schritt: Hypothesen erkennen. Manche dieser Hypothesen tarnen sich als Wahrheiten.
  3. Zweiter Schritt: Hypothesen durch Experimente in Fakten verwandeln. Je nach Art der Hypothese bietet sich eine dieser drei Methoden an: Proof of Concept, Prototyp, oder MVP

Du hast eine innovative Idee. Vielleicht eine Verbesserung in deiner Firma oder Abteilung, vielleicht auch ganz neue eine Geschäftsidee. Oder irgendetwas dazwischen. Wie beginnst du?

Zuallererst: Wenn deine Idee wirklich innovativ ist, wird niemand dir sagen können, ob sie erfolgreich ist. Nicht einmal eine Erfolgswahrscheinlichkeit lässt sich berechnen.

Trotzdem muss ein innovatives Projekt kein Glücksspiel sein. Es gibt bewährte Methoden, um die größten Fragen schnell und ganz zu Anfang zu beantworten – ohne dass du Software schreiben oder Maschinen kaufen musst.

Dafür sind zwei Schritte nötig:

  1. Kritischen Hypothesen herausfinden
  2. Hypothesen zu Fakten umwandeln

Von Hypothesen zu Fakten

Hypothesen sind deine Vermutungen über die Welt, die wahr sein müssen, damit deine Idee funktioniert. Deine Annahmen sind vielleicht diese:

  • „Ich löse ein echtes Problem.“
  • „Ich / mein Team kann das Problem lösen.“
  • „Menschen sind bereit, meine Lösung zu bezahlen.“

Dass deine Idee auf Vermutungen basiert, ist ein gutes Zeichen! Ich habe noch kein innovatives Produkt gesehen, das ausschließlich auf Binsenweisheiten beruht. Aber jetzt musst du diese Hypothesen in Fakten verwandeln – nicht durch Zauberei, sondern durch eines dieser bewährten Werkzeuge:

Werkzeug Aufgabe
Prototyp Beweist, dass es Sinn ergibt
Proof of Concept Beweist, dass es machbar ist
MVP Beweist, dass es gebraucht wird

Diese Begriffe klingeln nach Reagenzgläsern und Weltraumtechnik, deswegen mache ich sie mit einem ausgedachten Beispiel greifbarer.

Stellen wir uns vor, dass wir bei einem Betreiber von Betriebskantinen arbeiten. Wir haben festgestellt, dass die Lebensmittelverschwendung in allen Restaurants steigt – unter anderem, weil die Mitarbeiter inzwischen flexibel zwischen Home-Office und Büro wechseln. Das erschwert die Planung. Unsere Idee: die Bestellungen von Lebensmitteln an ein KI-System wie PlanerAIauslagern.

Ein innovatives, aber ziemlich großes Projekt. Was ist der erste Schritt? Hier kommen die drei Möglichkeiten.

1️⃣ Proof of Concept

Ein Proof of Concept (PoC) ist der Beweis, dass eine Lösung grundsätzlich möglich ist. Der PoC lässt alles weg, was nicht auf dieses Ziel einzahlt:

  • Skalierung: ein PoC funktioniert nur für wenige Nutzer, manchmal nur für einen.
  • Benutzerfahrung: ein PoC kann häufig nur von einem Techniker zum Laufen gebracht werden
  • Sicherheit: was nicht notwendig ist, um Leib und Leben des Nutzers zu schützen, fehlt komplett.

Beispiel Kantine: Alles steht und fällt damit, dass die KI-Lösung zuverlässige Bestellmengen liefert. In einem Proof of Concept könnten wir die KI-Lösung für ein ausgesuchtes Restaurant im Dry run laufen lassen – d. h. sie berechnet zwar die Bestellmenge, aber tut sonst nichts weiter. Anschließend vergleichen wir den tatsächlichen Verbrauch mit dem, was die Lösung bestellt hätte. In einer simplen Excel-Tabelle.

Ist die Technik das wichtigste?

Auch wenn unklar ist, ob eine Idee technisch umsetzbar ist, bedeutet das nicht zwangsläufig, dass du diese Frage zuerst klären musst. Technische Probleme lassen sich oft umgehen, wenn geklärt ist, ob wirklich Bedarf besteht.

2️⃣ Prototyp

Ein innovatives Projekt besteht häufig aus mehreren Ideen, die sinnvoll zusammenspielen müssen. Der Prototyp beweist, ob dabei ein sinnvolles Gesamtprodukt herauskommt.

Auch hier gilt: je einfacher, desto besser. In unserem Kantinenbeispiel könnte der Prototyp ein simpler Karton sein, in den das Küchenteam einen Zettel mit ihrer wöchentlichen Essensplanung hineinwirft. Wenn wir auf dem Zettel regelmäßig „Notizen“ finden (weil unserem Formular notwendige Felder fehlen) oder es mitten in der Woche neue Zettel gibt (weil die Küche ihre Planung umschmeißt), können wir daraus einiges lernen. Zum Beispiel, dass unser schöner geplanter Ablauf völlig an der Realität vorbeigeht.

3️⃣ MVP

Die wichtigste Anforderung an eine innovative Idee ist, dass sie ein echtes Problem lösen. Durch möglichst viele Gespräche und Interviews bekommst du schon ein gutes Gefühl dafür, ob du dir ein Problem nur ausgedacht hast. Größere Sicherheit bietet ein MVP, ein Minimum Viable Product.

Das Ziel eines MVPs ist echtes Feedback von echten Kunden. Echte Kunden sind keine internen Betatester, nicht dein Chef, nicht deine Mutter, und erst recht nicht du selbst – sondern Vertreter der Zielgruppe.

Achtung: Anwender und Käufer sind nicht immer die gleichen Personen. Bei unserem Kantinenbeispiel benutzt die Küche unsere Lösung, aber überzeugen müssen wir die Restaurantbetreiber. Wir könnten Sie per E-Mail auffordern, sich für unsere Lösung zu „bewerben“ – am besten tun wir so, als stände die Lösung sofort bereit. Je mehr anspringen, desto besser.

Klein starten, aber richtig

Womit fängt man an? Das kommt drauf an. Im Internet kursieren Grafiken, die eine sinnvolle Reihenfolge suggerieren: erst Proof of Concept, dann Prototyp, dann MVP. Aber diese Reihenfolge ist weder notwendig, noch richtig. Nur eines sollte die Reihenfolge der ersten Schritte bestimmen: die Unsicherheit der Hypothesen.1

Es ist absolut unklar, ob ein grundlegender, technischer Aspekt der Idee überhaupt umsetzbar ist? Dann solltest du mit einem kleinen Proof of Concept starten. Steht und fällt die Idee mit einer exzellenten Benutzererfahrung? Das spricht für einen Prototyp. In den allermeisten Fällen ist ein MVP der sinnvollste Schritt, weil dieses beweist, dass du ein Problem löst.

Jedes innovative Projekt startet klein und wackelig. Fast immer ist die erste Version in fast allen Belangen schlechter ist als der Status Quo – und das ist in Ordnung. Der Zweck des ersten Schrittes ist, den nächsten zu rechtfertigen. Er soll helfen, zu lernen.

Aber das ist keine Ausrede dafür, etwas zu bauen, nur weil es technisch interessant ist oder weil die Geschäftsführung sich in eine bestimmte Lösung verliebt hat.

Der erste Schritt in deinem innovativen Projekt hat vor allen Dingen eine Aufgabe: den zweiten Schritt zu rechtfertigen.


  1. Um die Hypothesen zu priorisieren, greife ich seit Jahren auf ein weiteres Werkzeug zurück: die Hypothesen-Matrix↩︎