Drei Schritte auf dem Weg zum externen Gehirn

Es ist eine Erfindung der Neuzeit: Unser Gehirn als Projektmanagement-Tool, vollgepackt mit Terminen, Deadlines und Aufgaben. Diese Zweckentfremdung wächst uns langsam über den Kopf. Gut, dass es endlich Abhilfe gibt.

Frage 1: Womit haben wir uns an die Spitze des Planeten gekämpft?

Antwort:

Frage 2: Welcher Teil unseres Körpers ist mit der Masse an täglichen Aufgaben derart überfordert, dass wir nur schwer “abschalten” können? Dass wir immer schneller nach Urlaub lechzen, nicht wegen des Meerblicks, sondern um einfach mal zwei Wochen an nichts zu denken?

Antwort:

Hm. Sind wir dümmer geworden? Oder sind die Aufgaben des 21. Jahrhunderts einfach eine Nummer zu groß geworden? Weder noch. Unser Alltag fordert meist nicht zu viel von unserem Gehirn, sondern das falsche. Die wallnussartigen Gebilde in deinem und meinem Kopf haben immer noch großen Spaß daran, zu denken. Probleme zu verstehen. Und diese Probleme kreativ zu lösen.

Nun hat das Gehirn aber seit hundert Jahren einen bürokratischen Bürojob an der Backe, der hauptsächlich aus Abspeichern, Organisieren und Abarbeiten besteht. Das Hirn macht diesen Job ganz okay, aber nicht gerne. Denn eigentlich will es über etwas nachdenken, nicht an etwas.

Die gute Nachricht: Der alte Job ist immer noch ausgeschrieben und eine ganze Truppe von Helferlein steht bereit, das Sekretariat zu spielen. Zu Ende gedacht, werden diese Werkzeuge zu deinem externen Gehirn - keine Überraschung, wenn man einsieht, dass wir schon seit langem Cyborgs sind und das Web sich zu unserer Gehirn-Schnittstelle gemausert hat.

Jetzt gilt es, daraus endlich Kapitel zu schlagen. Und zwar gleich dreimal.

Arbeitsspeicher auslagern

Du bist ein Projektleiter. Ganz egal ob das deine Berufsbezeichnung ist oder nicht. Den Urlaub planen, eine Couch kaufen und die Steuererklärung abgeben - all das sind komplizierte, manchmal sogar komplexe Projekte. Sie stecken voller ungelöster Aufgaben, Entscheidungen und Fragen.

Wahrscheinlich nutzt du als Werkzeug dafür dein Gehirn. Das machen die meisten, obwohl es ein echtes mieses Projektmanagement-Tool ist. Dein Gehirn speichert nämlich all die losen Enden in einer Art RAM und schmeißt sie dir immer wieder vor die Füße - unsortiert und meistens dann, wenn du gerade nichts damit anfangen kannst. Auf dem Klo, unter der Dusche, beim Einschlafen.

Als Jäger und Sammler mit ein bis zwei ToDo’s pro Woche war dieser Arbeitsspeicher völlig ausreichend. Jetzt ist er so zeitgemäß wie ein Faustkeil.

Strategie: ToDo’s aufschreiben und aus dem Gehirn verbannenn. Produktivitätsmethoden gibt es zu Dutzenden und sie alle empfehlen dir, offene Aufgaben in ein “externes System” zu packen. Bei GTD (das steht für “Getting Things Done”) gilt es sogar als der Erfolgsfaktor schlechthin.

Warum ist das so? Weil man die Aufgaben so aus dem Gehirn bekommt. Sobald dir etwas einfällt, das du “mal erledigen” müsstest, schreibe es ungefiltert auf - an einer Stelle, die dich im richtigen Moment daran erinnern wird. Ein altmodisches Notizbuch tut’s für viele, wahrscheinlich wirst du aber ziemlich bald eine App nutzen.

Wenn du dieses “Externalisieren” durchziehst, immer und ganz rigoros, wird dein Gehirn sich irgendwann darauf einlassen. Es wird dem externen Arbeitsspeicher vertrauen und den eigenen nur noch in dringenden Fällen benutzen.

Algorithmen auslagern

An einem einzigen Tag triffst du mehr Entscheidungen als ein mittelalterlicher Bauer während eines ganzen Jahres. Für jede noch so kleine Entscheidung schmeißt dein Gehirn mächtige Algorithmen an, die viele Daten verarbeiten und dabei messbar Energie verbrauchen. Oft ist diese Energie verschwendet.

Strategie: Entscheidungen automatisieren. Das klingt radikal, ich weiß. Aber es geht ja nur um die dummen, alltäglichen, standardisierbaren Entscheidungen. Ein paar Beispiele:

  • Lese oder lösche ich diese Email? (Delegieren an: Filterregeln, Autoresponder, Newsletter abbestellen)
  • Um was kümmere ich mich genau jetzt am besten? (Delegieren an: Weekly Review)
  • Was esse ich heute Abend? (Delegieren an: Wochen- und Einkaufsplan)
  • Kann ich heute Abend shoppen gehen? (Delegieren an: Finanz-App mit Budgetplanung, z.B. Finanzblick)
  • Was muss ich für den Urlaub einpacken (Delegieren an: Vorgefertigte oder eigene Koffer-Pack-Listen)

Das sind nicht die großen Entscheidungen des Lebens. Für diese hast anschließend mehr Energie.

Festplatte auslagern

Wissen ist Macht, und weil das immer noch gilt, hämmern wir uns ab der ersten Klasse Wissen in die Schädel.

Aber ist Wissen gleichbedeutend mit Merken? Zum Glück nicht. Wir können uns noch sehr so vornehmen, die wichtigen Gedanken eines Sachbuches zu behalten, nach 24 Stunden haben wir das meiste vergessen. Besonders bei Zahlen, Daten und Fakten ist die Vergessenskurve gründlich und schnell - die Informationen fließen durch unser Gehirn wie durch einen Durchlauferhitzer. Erinnern gehört nicht zu unseren Stärken.

Strategie: Ein digitales Gedächtnis nutzen. Gut möglich, dass du schon ein digitales Notizbuch wie z.B. Evernote nutzt. Genau wie beim Arbeitsspeicher gilt aber auch hier: Konsequent sein und alles hineinstecken. Der interessante Zeitungsartikel, das kluge Zitat, die 10 wichtigsten Punkte des letzten Buches - all das ist in einem externen Gedächtnis besser aufgehoben als in deinem Gehirn.

Natürlich ist das Ziel nicht, sich gar nichts mehr zu merken. Nur noch die Dinge, die wirklich, wirklich wichtig sind.

Zurück zur guten, alten Zeit - dank Zweitgehirn

Müssen wir Sorge haben, dass die digitalen Unterstützer uns nicht bloß entspannter, sondern auch dümmer machen? Ich glaube nicht. Wir haben den Planeten nicht erobert, weil wir uns Termine, Deadlines und Aufgaben merken können. Diese Zweckentfremdung des Gehirns ist eine Erfindung der Neuzeit.

Denken macht Spaß, mehr denn je. Den Rest können echt die Maschinen machen.

Drei Schritte auf dem Weg zum Zweithirn
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