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K-69 Was uns Twitter über Tech-Monopole lehrt
Einleitung
Wenn ich mit anderen über die Existenz Tech-Monopole spreche, höre ich oft den Einwand, dass aus Verbrauchersicht doch alles super ist: „Wer macht es denn besser? Was kann man an WhatsApp / Facebook / Google überhaupt noch großartig verbessern? Was fehlt dir?“ Meine Antwort ist dann so einfach wie unbefriedigend: keine Ahnung. Dafür müssten das Monopol erst einmal weg sein.
John Oliver hat dem oben genannten Dilemma neulich eine ganze, wie immer sehr unterhaltsame Sendung, gewidmet. In ihr geht es um das bekannteste Monopol der letzten 100 Jahre – der amerikanischen Telefongesellschaft AT&T.
Warum der Anrufbeantworter so spät erfunden wurde
AT&T stand lange Zeit für die guten Seiten eines Monopols: absolute Zuverlässigkeit und Stabilität, hohes Investment in Forschung und Entwicklung. Das Forschungslabor von AT&T, die Bell Labs, war an ungefähr jeder Innovation der Telekommunikationsgeschichte beteiligt.
Und trotzdem gab es eine Schwemme von neuen Erfindungen, als das Monopol zerschlagen wurde. „Wir wussten es damals nicht“, sagt Oliver treffend, „aber die Dominanz von AT&T hielt Innovation zurück. Sobald es nicht mehr die Telefonleitungen kontrollierte, war der Weg frei für viele neue Erfindungen.“ An dieser Stelle blendet er kurz den Anrufbeantworter ein – wahrscheinlich nicht zufällig. Denn hinter dem Anrufbeantworter steckt eine interessante Geschichte
Schon 1934 hatte der Clarence Hickman in den Bell Labs von AT&T einen Anrufbeantworter entworfen und einen funktionierenden Prototyp gebaut Die Geschäftsführung wies ihn allerdings an, die Forschung daran sofort einzustellen. Sie befürchtete, dass Anrufbeantworter dafür sorgen könnten, dass am Ende weniger telefoniert würde. Hickmans Forschungen kamen erst 60 Jahre wieder bei der Recherche eines Historikers ans Licht.
Die Innovationskraft von Monopolen, und seien sie noch so mächtig, hat ihre Grenzen.
Innovation von außen
Manchmal öffnen sich Monopole jedoch an den Rändern. Noch bevor AT&T zerschlagen wurde, zwang die amerikanische Netzbehörde es dazu, einen neuen, genormten Telefonstecker zu unterstützen. Das schuf, zum ersten Mal, einen Markt für Telefone, die nicht von AT&T kamen. Und nicht nur für Telefone. Der sogenannte „Westernstecker“ ermöglichte es Dennis Hayes, das erste Modem für die private Nutzung zu bauen – ein wichtiger Schritt auf dem Weg zum Internet.
Einen ähnliches Phänomen konnte man 15 Jahre lang bei Twitter beobachten. Dritt-Apps wie Twitterrific und Tweetbot haben zahlreiche Innovationen eingeführt, die später von Twitter selbst übernommen wurden:
- Mobile- und Tablet-Apps
- Vorschau für Bilder und Videos
- Twitter-Threads
- Unterstützung für mehrere Konten
- Filter und Blockierung
- … und vieles mehr.
Was, wenn es diese Apps nicht gegeben hätte? Auf einige Ideen wäre Twitter wohl von alleine gekommen. Auf andere wahrscheinlich nicht. Und niemand würde diese Funktionen vermissen.
Fazit
Monopole sind nicht grundsätzlich böse. Mit ihrer finanziellen Schlagkraft können sie Stabilität und Zuverlässigkeit bieten, und viel Geld in Forschung und Entwicklung stecken. Aber aus Verbrauchersicht hat es einen großen Vorteil, wenn große Plattformen mit anderen Anbietern zusammenarbeiten.
Twitter hat diesen Weg nun endgültig beendet – Apps, die eine Alternative zur Twitter-App darstellen, sind seit dieser Woche verboten. Für Messenger wie WhatsApp fängt er, dank der Verpflichtung zur Interoperabilität, gerade erst an.
Welche Innovationen dadurch entstehen werden? Wir wissen es nicht.
Ich weiß auch nicht, welche Innovation im Bereich Messaging uns gerade entgehen. Aber ich weiß, dass es fast immer eine gute Idee ist, ein Monopol zu beenden.
Link zur ganzen Episode:
![[John Oliver – Tech Monopolies – Answering machine.png]]
Dieser Artikel erschien in Ausgabe 69 meines wöchentlichen Newsletters "Tech is Good". Du kannst ihn hier abonnieren.